Die Braut, die sich traut oder der schönste Tag im Leben (Teil 5)

Hochzeitsmesse

Wenn man mit dem Vorhaben zu heiraten an die Öffentlichkeit geht, begegnen einem immer Menschen, die sehr wundersame Tipps auf Lager haben. So wurde auch uns nahe gelegt auf eine Hochzeitsmesse zu gehen. Ich erwähnte gegenüber meiner Mutter, dass es in unserer Stadt eine Brautmesse gäbe und dass ich darüber nachdenke, eventuell dort vorbei zu schauen. Ich wusste nicht, welche Begeisterung ich mit dieser Erwähnung auslösen würde. „Da gehen wir hin, auja, super, da nehmen wir noch deine Trauzeugin mit, deine Schwester, sollen wir die Tante auch mal fragen?“ In meinem Kopf begann sich ein Karussell zu drehen. Ich stellte mir vor, wie ich umringt von sämtlichen weiblichen Wesen meiner Familie durch die Brautmesse pilgere und wie an jedem Stand gehalten wird. Ich sah die Gesichter vor mir, wie sie sich alles genau betrachten, anfingern und natürlich ausprobieren, denn schließlich zahlt man ja auch Eintritt. Mich bezwang kurzzeitig ein dezentes Panikgefühl. Dennoch erkannte ich den Glanz und das Strahlen in den Augen meiner Mutter und dachte dass ich ihr das nicht verwähren kann. Ich verringerte jedoch den Kreis der Auserwählten auf meine Mutter, meine Trauzeugin und deren Mutter.

An einem Wochenende im Januar war es dann soweit. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg um die perfekten Ideen für den großen Tag zu sammeln. Kaum saßen wir im Auto ging das Geschnatter los „wer weiß, vielleicht finden wir ja heute ein Brautkleid für dich, oder einen guten Konditor oder ne tolle Idee für die Tischdeko…“. Als das Wort Brautkleid fiel, gingen bei mir alle Alarmglocken los. Mir wurde bewusst, was der eigentliche Grund meiner Begleitdamen war: Sie wollten Brautkleider anschauen und vor allem mich im Brautkleid sehen. Ich hatte mich in keinster Weise darauf eingestellt an diesem Tag ein Kleid zu probieren. Ich beruhigte alle und meinte, wir könnten ja mal schauen. Insgeheim entschied ich an diesem Tag auf keinen Fall ein Kleid anzuprobieren.

Wir fuhren auf den Parkplatz und wurden dort schon von netten studentischen Aushilfskräften empfangen, die uns mit Gutscheinen und Flyern überhäuften. Interessanterweise waren meine Trauzeugin und unsere Mütter auf einmal auch Bräute, weil man da mehr Material bekommt und mehr Gutscheine. Wir liefen in die Halle und schon am Eingang saß ein Alleinunterhalter, der zwar sehr nett dreinschaute, jedoch furchtbar musizierte und den Eindruck vermittelte, dass Hochzeiten für ihn die perfekte Single-Börse darstellten. Mich überkam ein Schauer und mir wurde bewusst, dass Heiraten ein Geschäft ist und zwar nicht für das Ehepaar sondern für eine Reihe von Menschen, die sich an dem Glück des Brautpaares eine goldene Nase verdienen wollen. Wir wurden durch eine Art Gang geschleust in dem rechts und links die verschiedensten Stände rund um das Thema Hochzeit aufgebaut waren. Bei manchen Ständen wurde man regelrecht überrannt mir Vorschlägen und bei anderen Ständen hatte man den Eindruck, dass man gerade ein Kaffeekränzchen stört.

Nachdem wir an Ständen rund um die Themen Tischdeko, Location, Hochzeitsfinanzierung, Honeymoon etc. vorbei waren kamen wir zum ersten Brautausstatter. Meine Begleitung war auf einmal wie durch alle Winde zerstreut auf der Suche nach dem perfekten Kleid für mich verschwunden. Mir war die ganze Situation zunächst eher unangenehm, weil ich dachte, dass gleich eine Dame kommt und meiner Begleitung mal gewaltig eine auf die Finger kloppt. Aber dem war leider nicht so. Im Gegenteil auf Wunsch meiner Begleitung und dem natürlich perfekten Service des Brautausstatters war es absolut kein Problem alles rauszuzerren was irgendwie in Frage kommen würde und natürlich durfte auch alles anprobiert werden. Ich blickte mich dann auch mal um und mir fiel sehr schnell ein Kleid in die Hände, dass mir irgendwie einfach gefiel, ich weiß nicht warum, kurzum, das Kleid musste mit in die Kabine.

Nun war ich an diesem besonderen Tag eingepackt wie ein Eskimo, sprich Strumpfhose, Stiefel, Pulli, etc. weil es draußen gefühlte minus 20°C hatte und schneite. Nun gut, das ist alles natürlich kein Problem. Ruckzuck stand ich da und wurde darauf hingewiesen, dass ich mich auch noch meines BHs entledigen sollte. Ich dachte ich bin im falschen Film. Es war Sonntagmorgen, elf Uhr, eine Zeit um die ich sonntags gerne noch im Bett liege oder gemütlich frühstücke, nur noch durch das kleine Detail meiner Unterhose bedeckt auf einer Brautmesse und man fragte mich welche Korsagengröße ich so trage. Korsagengröße? Was ist das? Auf die Äußerung meinerseits, dass ich so etwas zum ersten Mal in meinem Leben tragen würde und ich keine Ahnung habe, welche Größe ich besitze wurde ich salopp darauf hingewiesen, dass dies aber langsam mal Zeit werden würde. Man steckte mich in eine Korsage, an die für mich eher befremdliche Strapse befestigt waren. Man schnürte mich zu so dass ich gerade noch atmen konnte. Darüber wurde mein Kleid geworfen und zugeschnürt. Ich dachte die ganze Zeit darüber nach, ob in meinem Leben bis jetzt irgendetwas schief gelaufen ist. Ich kam mir vor wie ein Erstklässler, der bei dem Gang auf den Pausenhof an ganz großen Viertklässlern vorbei muss. Die ganzen Prinzessinnen die in der Umkleidekabine ein Brautkleid nach dem anderen anprobierten machten mir Angst. Sie wussten alle genau was sie wollen: Alle wollten aussehen wie Sissi, mit Handschuhen, mit Schleier, mit Reifrock, Hochsteckfrisur, etc. nur ich nicht.

Ich wusste eigentlich gar nicht was ich will. Ich wusste nur, dass ich das alles so wie ich es dort vorfand nicht will. Ich stand nun in der Kabine mit meinem Kleid und wusste nicht wie mir geschieht. Ich sollte erwähnen, dass es bei einem Brautkleidprobieren auf einer Messe nicht so ist, wie in einer normalen Umkleidekabine. Man geht nicht kurz vor die Kabine und betrachtet sich im Spiegel, nein, man läuft raus aus dem Umkleidungsbereich an jeder Menge Spiegeln anderen Bräuten und Publikum vorbei, bis zu einem geeigneten freien Spiegel. Vor diesem stehen Stühle für das Publikum. Vor dem Spiegel steht ein Hocker auf den man sich stellt, dass man wie bei einer Auktion von allen Seiten betrachtet werden kann. In meinem Fall blieben, nachdem ich den Hocker betrat, alle Menschen die gerade an diesem Stand vorbei liefen stehen und begannen zu tuscheln. Es sollte vielleicht noch erwähnt werden, dass ich nicht für Kleidergröße 36 gemacht bin, keinen blassen elfengleichen Teint besitze und nicht über lange blonde, wenn möglich gelockte Haare für eine Hochsteckfrisur verfüge. Ich war zunächst sehr gehemmt und irritiert, weil ich eigentlich nicht wollte, dass wildfremde Messebesucher daran Teil haben, wie ich mein Brautkleid anprobiere.

Ich gewann den Eindruck, dass die Messebesucher dachten, ich sei ein Model für mollige Brautmode. Am liebsten wäre ich auf der Stelle gegangen. Dennoch blickte ich mich vorsichtig um und bemerkte, dass vor allen anderen Spiegeln Bräute standen, die alle gleich aussahen: Cremefarbenes Kleid, bestickt, Schleier, Handschuhe, blasser Teint, Hochsteckfrisur und das war’s. Ich hingegen stand da mit meinem gebärfreudigen Becken mit einem modern geschnittenen weißen langen Kleid, einer Stola, meinem dunkelbraunen Bob-Haarschnitt, meiner schwarzen Brille, meiner nicht so makellosen eher dunkleren Haut und mir fiel auf, dass ich mich zum Publikumsmagnet entwickelt hatte. Ich weiß nicht ob es meine abnorme Figur war, das Kleid oder mein Gesicht auf jeden Fall betrachteten mich alle Leute. Sie standen einfach da und schauten. In ihren Gesichtern sah ich jedoch keinen Spott sondern ein Strahlen und bei manchen sogar Tränen. Ich hatte den Eindruck, dass die anderen Bräute für das Publikum eher weniger interessant erschienen, vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein. Ich stand also da und ich trug mein Kleid, das Kleid, dass es später auch werden sollte. Hingegen aller meiner Vorurteile und Gedanken die ich mir zuvor machte, stand ich da und fand mich wunderschön. Ich stand da und hatte das Gefühl trotz aller Makel und Unzufriedenheit mit mir selbst hier und jetzt die schönste Frau der Welt zu sein. Ich wurde beglückwünscht zu der guten Kleidauswahl und zu meinem guten Geschmack und das von wildfremden Menschen.

Das Blatt hatte sich gewendet und ich konnte verstehen warum es Frauen so toll finden Braut zu sein. Es ist ein erhabenes und gleichzeitig zu Tränen rührendes Gefühl, einmal im Leben die schönste und vielleicht sogar die wichtigste Person zu sein und dass alle alles dafür tun werden, dass man an diesem einen Tag glücklich ist.

Die Messe war nun für mich gelaufen. Ich hatte Blut geleckt und mich konnte an diesem Tag nichts mehr beeindrucken. Kein Alleinunterhalter, keine Torte, keine Hochsteckfrisur, kein Champagner. Ich hatte mein Kleid gefunden und wollte nur noch zurück zu diesem einen Brautausstatter um dieses Kleid zu kaufen. Und so war es dann auch…

Mein Resümee: Eine Hochzeitsmesse im Leben schadet nicht! :o)


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