Ist Karriere möglicherweise ein falscher Lebensplan?

Wer kennt sie nicht, die berühmte Frage bei einem Bewerbungsgespräch nach dem künftigen beruflichen Werdegang „Wo sehen Sie sich in 5-10 Jahren?“.

Wenn ich auf meinen eigenen Weg zurückblicke, jetzt Anfang 30, mit dem Erlebten der letzten Jahre, würde heute meine Antwort sicher anders ausfallen als vor 5 oder gar 10 Jahren, denn in der Zeit habe ich 1000mal meine Sichtweise teilweise so enorm geändert, dass die Antwort mit der vor Jahren nicht ansatzweise etwas gemein hätte.

Die Antwort auf diese Frage ist in der Regel eine, mit der man dem Personaler gefallen möchte, aber keine, die etwas mit einem selbst zu tun hat. Auch wenn ich das damals dachte. Tief im Glauben, meine Meinung sei statisch, und ich werde ja jetzt schon wissen, was mit 30 in mir vorgehen würde. Man möchte einfach diese Stelle haben, also erzählt man mal fleißig, dass man bereit wäre dem Ziel des tollen Karriereweges alles unterzuordnen.

Man weiß eigentlich gar nicht, was das Ziel sein soll, es ist ein gedankliches Gebäude aus zusammengesetzten Bildern der Denkweise der Eltern über „die in den Anzügen, die später mal etwas entscheiden“, den Erzählungen über andere, „die es zu etwas gebracht haben“, die Gespräche mit Gleichaltrigen, deren älterer Bruder ja mittlerweile „bei xy eine gute Stelle und bereits 2 Leute unter sich hat“, den Professoren der Hochschulen, die einem in Vorlesungen von der Glitzerwelt der Unternehmen berichten, was sie da selbst gemacht haben und mit „wenn Sie dann mal später Leiter der Abteilung Controlling sind…“ die Illusionen über den möglichen Karrieweg noch verstärken, und natürlich nicht zu vergessen die Meinungen und Vorstellungen der Gesellschaft über das Leitbild des „erfolgreichen Managers“.

Keines der genannten Dinge entspricht in meinem Denken mehr der Vorstellung meiner Lebensplanung. Es kommt mir heute geradezu lächerlich vor, wenn ich daran denke, was ich mir für eine -letztendlich vorgefertigte- „Meinung“ gebildet habe. Und genauso denke ich möglicherweise in 10 Jahren wieder über den Text von heute. 😉

Der Optimismus in jüngeren Jahren über seinen eigenen möglichen Karriereweg ist grenzenlos. Dieser führt gedanklich immer nur nach oben, tendiert dazu „positiv zu übertreiben“ ohne genau zu wissen, was eigentlich tatsächlich im Arbeitsleben abläuft. Zieht dann allerdings die erste Zeit ins Land, wird der Ausblick „realistischer“, es wird offensichtlich, wo die Kehrseiten des jeweiligen Jobs liegen. Die vermeintlich tollen Geschäftsreisen, Essen gehen mit Kunden und das Geschäftshandy, das auch am Wochenende klingelt, werden nach und nach in Frage gestellt.

Mit 20-25 Jahren abzuschätzen, wo später seine Prioritäten -nicht die beruflichen- liegen werden, ist unmöglich. Man hätte vielleicht gerne mehr Zeit für Familie, es haben sich Interessen und Vorstellungen darüber geändert, wie man sein Leben führen möchte. Es wird einem deutlich, dass die nächste Gehaltserhöhung von der Inflation aufgefressen wird und man fängt an zu erkennen, dass Geld ausgeben für Konsum nicht alles sein kann. Vorhersagen, wie gut es einem erst gehen würde und wie glücklich man wäre, wenn man später mal Abteilungsleiter sei, erweisen sich reihenweise als falsch und bestätigen und als schlechte „Wahrsager“.

Vorstellungen über die berühmte Erfindung „Work-Life-Balance“, wie sie in Karrieremagazinen so schön beschrieben werden und denen sich mein Blogpartner Marc in diesem Artikel schon angenommen hat, sind Schönfärberei eines Umstandes, den es so in der Unternehmenswelt nicht gibt. Wer dort zu etwas kommen will, für den gibt es keine Work-Life-Balance, sondern nur „Work“, für sein eigenes „Life“ ist da kein Platz und das ist vor allem auch nicht gefragt.

Die Zukunft ist für mich fremd, und mein künftiges Ich hat mit dem von heute irgendwann vielleicht nur noch den Namen gemeinsam.
Woher soll ich also heute wissen, was für mich in 10 Jahren wichtig sein wird? Dass Unternehmen das nicht interessiert ist allerdings verständlich…

Empfehlungen kann man hier keine geben, da jeder seine eigenen Erfahrungen machen muss. Wie alternative Gedanken zu einer Karriere aussehen können, kann man auf unserem Blog z.B. hier, hier und hier lesen.


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